Corona – ich weiß noch, dass ich mir im Januar nach den ersten Fällen bei Webasto gedacht habe: „Wow, das haben sie aber wirklich gut hingekriegt!“. Und dann wars im März schlagartig vorbei. Lockdown. Nur ein paar Wochen vor meinem offiziellen Start in eine proppevolle Hochzeitssaison.
Was ich wollte: Vor strahlenden Brautpaaren und ihren Gästen zu sprechen. Was ich stattdessen gemacht habe: Mit verzweifelten und verunsicherten Paaren gesprochen, Termine verschoben, Informationen weitergegeben. Ich habe viel telefoniert, viele Nachrichten geschrieben. Statt Traurednerin zu sein, war ich plötzlich Psychologin, offenes Ohr und Fakten-Vermittlerin.
Ja, ich gebe es zu: Zwischendurch bin ich im Weltschmerz versunken. Richtig tief, bis zum Boden. Also mit der Version „Die Menschheit wird aussterben, die Natur erobert sich den Planeten zurück und der Mensch war nur ein Windhauch in Äonen von Jahren.“ Ja, theatralisch, ich weiß.
Aber den Kopf in den Sand stecken bringt nix, außer den Mund voll Sand. Wenn es keine Hochzeiten gibt, dann muss eben was anderes her. Als erstes habe ich meinen Lichtblick-Moment entwickelt. Ein kleines digitales Trostpflaster für all die Paare, die ihre Hochzeit absagen oder verschieben mussten.
Und dann habe ich von ganz hinten im Kopf, aus einer Schublade, die ich schon lang nicht mehr aufgemacht hatte, eine Idee rausgeholt. Etwas, über das ich schon sehr lange immer wieder nachgedacht hatte: Ein Onlinekurs. Etwas, das mich aus der Abhängigkeit von einer einzigen Branche befreit.
Denn wenn ich mich als ausgebildete Logopädin, Traurednerin und Radiomoderatorin mit einer Sache auskenne, dann ist das das Sprechen. Stimme, Atmung, Artikulation, Kommunikation – das sind meine Steckenpferde. Genau das sind aber auch die Dinge, mit denen viele Menschen kämpfen.
Diese Idee, dieses Baby ist während des Lockdowns gewachsen. Es hat inzwischen einen Namen und ein Gesicht, auch das, was drinstecken soll, nimmt immer mehr Gestalt an. Ein wenig wird es mit der Geburt noch dauern, aber es gedeiht munter vor sich hin.
Warum es trotz Corona noch nicht geschlüpft ist? Weil ich glücklicherweise viele meiner Traumpaare mit meinem Optimismus anstecken und tatsächlich im Juni meine Hochzeitssaison doch noch eröffnen konnte. Von ursprünglich 28 geplanten Hochzeiten ist mir tatsächlich die Hälfte geblieben.
Aber dieses verrückte Jahr hat mir noch mehr gebracht als neue Ideen, Weltuntergangsstimmung und ein paar graue Haare mehr. Es hat mir klar gemacht, dass ich nicht nur in der Hochzeitsbranche bleiben möchte. Dass ich auch mein Wissen als Logopädin weitergeben will, ohne wieder Logopädin zu werden. Aber die wichtigste Erkenntnis ist: Ich will nicht mehr angestellt sein, auch nicht mehr in Teilzeit. Ich will mein eigener Chef sein, meine Zeit selbst einteilen, neue Projekte angehen. Selbstbestimmt leben und arbeiten. Genau deswegen werde ich noch in diesem Jahr mein Sicherheitsnetz abbauen, tief durchatmen und dann – einfach springen. Wie es dann weitergehen soll? Da gibt es einige Ideen. Mir Angestellte suchen, die mich bei den Trauungen unterstützen. Endlich auch Trauer-Reden anbieten. Mein Online-Baby schlüpfen lassen.
Ob es in Zeiten von Corona so schlau ist, den sicheren Hafen eines Teilzeitjobs zu verlassen? Keine Ahnung, wir werden es sehen. Was ich aber definitiv weiß: Ohne diese verrückten Monate würde ich jetzt nicht an diesem Punkt stehen, tief durchatmen, die Augen zu machen und endlich den großen Sprung wagen.